Gesetzgeber erleichtert versicherungsvertragliche Lösung allerdings mit negativen Konsequenzen für deren Administration.

Wenn Mitarbeiter mit Zusagen auf betriebliche Altersversorgung aus dem Unternehmen vor Eintritt des Versorgungsfalls ausscheiden, bleibt i. d. R. eine unverfallbare Anwartschaft gem. § 2 Abs. 1 bzw. den Sonderregelungen in § 2 Abs. 5 und 6 BetrAVG bestehen. Arbeitgeber müssen demnach bei Eintritt des Versorgungsfalls die dann fällig werdende Versorgungsleistung an den Betriebsrentner zahlen. Dies ist mit einem entsprechenden administrativen und damit auch finanziellem „Zusatz“-Aufwand (Rentnerverwaltung) verbunden.

Bedient sich der Arbeitgeber zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung allerdings einer Direktversicherung oder Pensionskasse, so hat ihm der Gesetzgeber als Erleichterung in § 2 Abs. 2 Satz 2 ff. und Abs. 3 Satz 2 f. BetrAVG ein bislang fristgebundenes Optionsrecht, die sog. „versicherungsvertragliche Lösung“ zur Verfügung gestellt, sofern eine echte Leistungszusage oder eine beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) erteilt wurde. Dabei hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Ansprüche des vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmers auf die von dem Versicherer/der Pensionskasse aufgrund des Versicherungsvertrages zu erbringende Versicherungsleistung zu beschränken. Wesentliche Voraussetzung für die Anwendung dieser versicherungsvertraglichen Lösung war bislang u.a. die Beachtung einer Erklärungsfrist, d.h. vom Arbeitgeber wurde verlangt, dass er seine Option spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers sowohl gegenüber dem ausgeschiedenen Mitarbeiter als auch gegenüber dem Versicherer/der Pensionskasse geltend macht. Die Beachtung dieser Frist war ursprünglich in der Praxis unproblematisch, da eine entsprechende Regelung bereits in der Versorgungsvereinbarung/der Versorgungsordnung/dem Versicherungsvertrag als aufschiebende Bedingung enthalten war. Dieses Verfahren hat allerdings das BAG mit seiner Entscheidung vom 19.05.2016 (3 AZR 794/14) als unzulässig bewertet und vielmehr gefordert, dass die versicherungsvertragliche Lösung vom Arbeitgeber gegenüber jedem Arbeitnehmer und gegenüber dem Versicherer jeweils in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers in jedem Einzelfall erklärt werden muss. Zudem muss der Arbeitgeber den Nachweis führen können, dass diese Erklärung dem Arbeitnehmer fristgerecht zugegangen ist, und zwar unter Beachtung der für das Rentenstammrecht geltenden langen Verjährungsfrist von 30 Jahren.

Dies führt in der Praxis vielfach zu entsprechenden Fristversäumnissen, die dann zu Folge haben, dass die versicherungsvertragliche Lösung nicht anwendbar ist und der Arbeitgeber eine unverfallbare Anwartschaft aufrechterhalten muss. Vor allem bei Anwendung der Quotierungsregelung des § 2 Abs. 1 BetrAVG führt dies regelmäßig zu einer Auffüllhaftung des Arbeitgebers, da der quotierte Wert regelmäßig höher liegt als der Wert des Versicherungsvertrags.

Gesetzliche Neuregelung

Aufgrund der hohen Relevanz der Durchführbarkeit der versicherungsvertraglichen Lösung in der betrieblichen Praxis hat sich der Gesetzgeber nunmehr entschlossen, durch eine entsprechende Gesetzesänderung die versicherungsvertragliche Lösung als Standardlösung festzulegen und auf ein besonderes arbeitgeberseitiges Verlangen zu verzichten.

Diese Gesetzesänderung hat am 5. Juni 2020 im Rahmen des SGB-IV-Änderungsgesetzes die letzte Lesung im Bundesrat durchlaufen und ist nach Verkündung im Bundesgesetzblatt am 24. Juni 2020 in Kraft getreten. Die Neuregelung soll auch dann gelten, wenn Arbeitnehmer bereits vor ihrem Inkrafttreten ausgeschieden sind. Ob eine solche unbegrenzte Rückwirkung von der Rechtsprechung, die ja gerade die alte Gesetzesfassung ausdrücklich als Haftungsbegrenzungsregelung bestätigt hat, gebilligt wird, bleibt allerdings abzuwarten. Insoweit ist nämlich nicht auszuschließen, dass betroffene Arbeitgeber unter Hinweis auf einen entsprechenden Vertrauensschutz ihre Haftung für derartige „Altfälle“ zunächst einmal ablehnen und damit den ausgeschiedenen Mitarbeiter auf den Klageweg verweisen.

In administrativer Hinsicht kann der Arbeitgeber somit die versicherungsvertragliche Lösung nunmehr einfach und rechtssicher umsetzen, da er keine Erklärungsfrist mehr zu beachten braucht und auch den Zugang einer solchen Erklärung nicht mehr nachweisen muss. Diese Erleichterung gilt immer unter der Bedingung, dass die sonstigen in § 2 Abs. 2 und 3 BetrAVG geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.

Im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung wird in § 2 Abs. 2 und 3 BetrAVG allerdings zusätzlich geregelt, dass durch die Anwendung der versicherungsvertraglichen Lösung der in § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG normierte Verschaffungsanspruch des Mitarbeiters gegenüber dem Arbeitgeber nicht untergeht. Was hingegen bis dato weit verbreitete Meinung unter Fachexperten war und auch so vom BAG in der Entscheidung vom 19.05.2016 bestätigt worden ist. Kommt es nun nach Durchführung der versicherungsvertraglichen Lösung zu Leistungskürzungen durch den Versicherer/die Pensionskasse haftet hierfür der (ursprüngliche) Arbeitgeber nach den bekannten Grundsätzen der Rechtsprechung zum Verschaffungsanspruch. Die versicherungsvertragliche Lösung ist danach keine Enthaftungsregelung, sondern lediglich eine Regelung zur Begrenzung der Haftung des Arbeitgebers. Dies hat zur Konsequenz, dass der Arbeitgeber die für die Versorgung des ausgeschiedenen Mitarbeiters relevanten Vertragsunterlagen nicht bereits 10 Jahre nach Ausübung der versicherungsvertraglichen Lösung vernichten kann, sondern diese bis zur vollständigen Abwicklung des Versorgungsverhältnisses aufbewahren muss. Diese Situation ist insbesondere bei Arbeitgebern die Zusagen über Pensionskassen erteilt haben, die bereits Leistungen gesenkt haben, ein Problem, denn die Unterlagen zu betroffenen Arbeitnehmern die vor über 10 Jahren ausgeschieden sind, wird es häufig nicht mehr geben, die Ansprüche aber schon.

Für Beitragszusage mit Mindestleistung findet und fand die versicherungsvertragliche Lösung keine Anwendung; hier galt schon immer die Empfehlung der längeren Aufbewahrungsfrist von weiterhin 30 Jahren. Denn wenn eine Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) zugesagt wurde (nur bei Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds), beschränkt sich die Haftung des Arbeitgebers immer nur auf das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers geleisteten Beiträge (mindestens die Summe der bis dahin zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden). Das kann natürlich erst bei Versorgungsbeginn ermittelt werden und das Rentenstammrecht verjährt erst nach 30 Jahren.

Fazit:

Die Erleichterung bei der Durchführung der versicherungsvertraglichen Lösung korrespondiert somit mit einer Verschärfung bezüglich der Dauer der Aufbewahrung der Unterlagen und hat somit nur bedingt das Ziel, die Praxis zu vereinfachen,– in Bezug auf den Wegfall der 2-Monats-Frist – erreicht. Die Möglichkeit zur Enthaftung durch die gesetzliche Festschreibung der Subsidiärhaftung für Arbeitgeber bei Direktversicherungen / Pensionskassen mit beitragsorientierten Zusagen wurde somit „kassiert“. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn Mitarbeiter schon länger aus dem Unternehmen ausgeschieden sind (10 Jahre +). Auch bei schuldbefreiender Übernahme von Versorgungen neu eintretender Mitarbeiter ist diesem Umstand eine Bedeutung bei der Entscheidung zur Übernahme beizumessen.

Die versicherungsvertragliche Lösung als Argument für die Implementierung der beitragsorientierten Leistungszusage ist weiterhin unzureichend. Es zeigt sich, dass die Beitragszusage mit Mindestleistung mehr Haftungssicherheit – auch in Hinblick auf die (nicht) Anpassungsprüfungspflicht gem. § 16 BetrAVG -bietet, sofern der Tarif die Anforderungen der BZML garantiert erfüllt. Die Diskussion BZML vs. BOLZ bleibt weiter spannend.

© RA Dr. Uwe Langohr-Plato/ Associate Partner / Michael Ries, RIES Corporate Solutions GmbH

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